Nachts im Zug

Es war genial. Zumindest in meinem Kopf. Denn Zeitmanagement ist mein persönliches Hobby. Direkt nach Kostenmanagement. In diesem Fall konnte ich beides in Perfektion vereinen. Dachte ich zumindest.

Die Situation war folgende: Ich wollte nach Berlin, mit einer Freundin, zu einem Festival. Eigentlich wollten wir uns Donnerstag dort treffen, doch dann hatte ich an diesem Abend noch eine wichtige Veranstaltung. Presse-Premiere: Frei Essen, frei Trinken. Das konnte ich nicht verpassen. Blöder Weise hatte ich meine Wohnung aber schon voreilig vermietet. Nun hatte ich den Salat: Die Veranstaltung war nicht vor 23:00 Uhr vorbei, meine Wohnung bereits bewohnt. Was tun?

Blitzidee: Nachtzug

Da kam mir die Lösung, eine geniale Idee: “Ich fahre einfach mit dem Nachtzug von Münster nach Berlin”, dachte ich. Damit könnte ich an der Veranstaltung teilnehmen, die Einnahmen über Airbnb bekommen und den Zug müsste ich ohnehin bezahlen. Mit einem kurzen Blick auf die Webseite der Deutschen Bahn wurde ich schnell fündig: Münster – Hamm, Abfahrt 00:10. Danach mit dem Nachtzug von Hamm nach Berlin. Geschätzte Ankunftszeit: 7:00 Uhr morgens. Auch mit dem Preis war ich mehr als einverstanden: 32 Euro (mit meiner BahnCard25). Schließlich sparte ich mir damit auch die Kosten für eine Übernachtung in Berlin. In meinem Kopf schrie es: Win – Win – Win!

Tatsächlich bin ich auch heute noch von der Idee begeistert. Allerdings war die Realität dann doch ungemütlicher, als erwartet. Mein Abteil bestand aus sechs Betten, drei davon auf jeder Seite der Wand hoch gestapelt. Ich war allein, kein anderer Gast weit und breit. Der Schaffner erkannte recht schnell, dass ich wohl zum ersten Mal mit dem Nachtzug fuhr und führte mich rum. Er zeigte mir die Lichterschalter, das Schloss, mein Bett, die Toilette.

Bestens vorbereitet?!

Ich schlüpfte in meinen Schlafanzug, kletterte auf die oberste Liege (Kompensation: als Kind wurde mir ein Hochbett verweigert!) und machte es mir bequem. Laken, Kissen und Bettdecke lagen bereit und ich hatte mir noch ein paar Extras eingepackt:

  • Schlafmaske
  • Oropacks
  • Eine Flasche Wasser
  • Taschenlampe (im Handy)

Ja, damit funktionierte es an sich ganz gut. Zumindest hatte ich das Gefühl, die Sache ganz gut durchdacht und es mir so komfortable wie möglich eingerichtet zu  haben.

Durchschlafen? Vergiss es!

Tatsächlich schlief ich recht schnell ein und durchlebte eine Schlafphase (ca. 1,5 Stunden) problemlos, doch während meiner REM-Phase wurde ich wach: Der Zug ruckelte, die Tür quietschte, das Bett machte Geräusche, auf dem Gang liefen Menschen. Ich wurde nervös: Konnte jemand einfach ins Abteil kommen? Nein, natürlich nicht. Ich hatte abgeschlossen. Aber so ganz wohl fühlte ich mich trotzdem nicht.

So verlief es die ganze Nacht: Schlafphase durchlaufen, aufgewacht, Sorgen verdrängt, Augen zugemacht. Repeat. Um Viertel vor 7 Uhr weckte mich der Schaffner, wie abgemacht, mit einem freundlichen Klopfen an der Tür. Wir waren kurz vor Berlin. Ich ging zur Toilette, sorgte mit einer Armada an Erfrischungstüchern für eine morgendliche Katzenwäsche, putzte mir die Zähne und zog mich um.

Fazit: Nein!

Kurz nach 7 Uhr hielt der Zug am Berliner Hauptbahnhof. Ich war da. Müde, unausgeschlafen, gestresst. Mein Abenteuer war definitiv eine Erfahrung wert gewesen – und hatte mir nebenbei auch Geld gesparrt – aber mein Ergebnis war eindeutig: Bei Fahrten unter 7 Stunden Schlafzeit lohnt sich der Nachtzug nicht wirklich. Außer, man kann damit leben, am frühen Morgen völlig unausgeschlafen in einer fremden Stadt zu stehen.

 

 

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